aus "Hänschen klein und die Lawine" |
aus "Anna Konda" |
aus „Kasimir sucht das Glück“ |
aus "Ort der Augen" |
Der
Sommer schlich sich langsam davon. An den Rosenbüschen leuchteten Hagebutten. Kasimir
schlief nicht mehr so viel. Er musste sehr viel mehr fressen, richtig dick
musste er werden, damit er gut über den Winter kam. Trotzdem, ein paar Stunden
Schlaf am Tag mussten sein. Eines Tages aber, als Kasimir sich gerade ins Nest
gekuschelt hatte, wurde ihm der Krach der Tiere zu bunt.
„Oh
dieser ewige Lärm“, schimpfte Kasimir und steckte sein spitzes Näschen aus dem
Laubnest unter dem Schuppen hervor. Die Tiere schnatterten, blökten, bellten
und miauten durcheinander, aber diesmal hatten sie sich neben dem Misthaufen
zusammen getan.
Mia,
die rote Katze sagte: „Die Bäuerin füttert uns nicht mehr gut. Nur noch
billiges Zeug.“ Und Kasimir sah, dass die Katze wirklich dünner geworden war.
„Na,
du kannst dir Mäuse fangen“, sagte Emil und drückte sein pechschwarzes Näschen
am Maschendraht seines Verschlages platt, „Wir Hasen können nicht einfach aufs
Feld hoppeln und Mohrrüben finden. Ein dummer Holzriegel hält uns davon ab.“
Kasimir
tippelte schlaftrunken hinaus auf den Hof.
„Mäuse
fangen, na du bist gut“, empörte sich Mia. Ihr rosa Glöckchen bimmelte leise.
„Diese komische Glocke verscheucht alle Mäuse. Ich habe noch keine einzige
gefangen, weil dieses Ding bei jedem Schritt bimmelt.“
„Es
wird ja noch viel, viel schlimmer“, sagte Emil und seine Hasenstimme steigerte
sich ins Weinerliche, „neulich, als die Bäuerin frischen Löwenzahn brachte, da
hörte ich, wie sie zum Bauern sagte: Bald müssen wir ein paar Tiere schlachten.
Das Futter reicht nicht für alle.“
Frieda
war unbemerkt herbeigehumpelt. „Das Glück hat uns verlassen“, jammerte sie,
„und ich werde die erste sein, die im Suppentopf landet.“ Und als sie mit dem
Flügel eine Träne aus dem Auge wischen wollte, fiel sie wieder mal um.
Kasimir
half ihr auf die Beine, indem er unter ihren Flügel schlüpfte, damit sie sich
auf den Igelkörper stützen konnte. So, wie Mia das immer tat. Nur gackerte
Frieda diesmal laut auf vor Schmerz. „Oh diese Stacheln!“
Kasimir
entschuldigte sich artig und fragte: „Haltet ihr regelmäßiges Fressen wirklich
für Glück?“
„Na
was denn sonst“, muckerte Emil. Seine Ohren hingen wieder traurig herab.
„Das
Glück hat uns verlassen“, jammerte Frieda wieder, verzichtete aber diesmal
darauf, sich mit dem Flügel die Tränen aus den Augen zu wischen.
„Dann
werde ich es eben suchen und wieder hierher zurückbringen“, sagte Kasimir,
streckte all seine Achttausend Stacheln weit von sich, legte sie sorgfältig
wieder zurück an den Körper und tippelte los...
Frau
Reimann (aus "Hänschen klein und die Lawine")
Wieder einmal sausten mir auf unserer Frauenversammlung die grellen Parolen um die Ohren. Und wieder einmal erkannte ich hinter all dem aufgeregten Geschnatter die Verbitterung darüber, im richtigen Leben nur die zweite Garnitur zu sein. Als Lehrerin, Verkäuferin, Sekretärin. Keine von uns leitet eine Schule, führt einen Laden, dirigiert ein Büro. Trotz Quote und Gleichstellungsbeauftragter hocken wir schüchtern in der Asche.
Lange genug hatte ich meinen Mitstreiterinnen gelauscht. Außerhalb dieser weißgekalkten Wände müssen wir uns wehren, dachte ich, einmischen, mitmischen. Aufsteigen. Gern würde ich anfeuern, aufrütteln, aber ich wusste, für die vorderen Reihen war ich zu friedlich.
Während sich die anderen über Formalitäten der Sprecherinnenwahl stritten, grübelte ich, wie ich meine nette Harmlosigkeit in den Dienst des Frauenvormarsches stellen könnte.
Meine Mitstreiterinnen gestikulierten immer heftiger, schnaubten sich an, kaum eine lächelte mehr. Plötzlich dachte ich an Spaniens Stiere, die mit jedem Speer, der sie spickte, kraftvoller wüteten, und mein Weg lag klar vor mir. Ich steige in die Arena. Ich werfe die Banderillas, halte das rote Tuch, werde Matadorin. Ich kenne die empfindlichsten Stellen der Frauen. Ich bin Friseurin!
"Guten Tag, Frau Reimann", begrüßte ich meine langjährige Stammkundin und rückte den Frisierstuhl gerade, "Wie hätten Sie es denn gern?"
Frau Reimann gab mir die Hand, setzte sich vor den großen Frisierspiegel und schüttelte ihre gelben Haare hinter die Schultern. "Wie immer."
Wie immer, das bedeutete, Frau Reimann war ein besonders schwerer Fall von Mutlosigkeit. Ein glanzvoller Auftakt meiner Mission. Ich prüfte ihr vertrautes Gesicht mit neutralem Kennerblick. Ein rundes, sympathisches Gesicht. Nicht mehr ganz frisch. Doch auf den ersten Blick schummelten die langen, in der Mitte streng gescheitelten Haare die runden Wangen weg und lenkten von den ersten tiefen Fältchen ab. Die putzige Frau Reimann schien zufrieden mit sich und der Welt. Leider.
Schwungvoll warf ich ihr einen Frisierumhang um und knotete ihn vor dem Kehlkopf fest. Mit den Zeigefingern zog ich die schlaffen Strähnen unter dem Umhang vor und ließ sie schwungvoll darauf zurück klatschen. Mit einer Haarkur könnte ich Frau Reimann bei ihrer erstaunlichen Haarfülle eine mondäne Löwenmähne zaubern. Aber dann wäre Frau Reimann noch zufriedener, und zufriedene Stiere kämpfen nicht.
"Ich rate Ihnen zu einer voluminösen Kurzhaarfrisur", hörte ich mich ernsthaft sagen, "Rundherum gebauscht und im Nacken kurz." So ein Bob würde Frau Reimanns rundes Gesicht optisch verbreitern. Sicher nicht der Traum dieser auf jung getrimmten Enddreißigerin, aber ganz im Sinne meiner Mission.
"Kurzhaarfrisur?", fragte sie überrascht, "Vielleicht behalten Sie die Länge bei und stufen meine Haare durch?"
Ich verstand und freute mich über Frau Reimanns Ansätze eines Aufbruchs. Nur schien mir dieser Aufbruch zu klein. Frau Reimann wollte sich insgeheim verändern, es durfte niemand merken. Das konnte ich nicht durchgehen lassen.
Mein Gesicht lächelte direkt über ihrem. Ich raunte in ihr Spiegelbild: "Verändern Sie sich konsequent! Tragen Sie ein neues Gesicht!"
"Meinen Sie?"
Ich nickte ihr aufmunternd zu und verachtete sie für ihre Unschlüssigkeit. Denn was ich meinte, war völlig egal. Ich war Dienstleisterin. Und so lange Frau Reimann nicht selber weiß, was sie will, ist sie scharlatanischer Verführung leichte Beute. Starke Frauen lassen sich nicht verführen! Das musste Frau Reimann dringend lernen, ihre Radikalkur war bitter nötig.
"Kurze Haare sind der Renner", behauptete ich.
Frau Reimann sah prüfend auf ihr Spiegelbild, dann fragend auf mich. Ich nickte ihr fest zu.
"Also, gut", sagte sie. Ihre Stimme zitterte leicht.
"Na dann wollen wir mal", frohlockte ich, "Lehnen Sie bitte Ihren Kopf zurück."
Frau Reimann legte ihren Kopf auf das Haarwaschbecken und ich drehte das Wasser auf. Den Temperaturregler drehte ich auf dreißig Grad. Lauwarm ließ ich es auf Frau Reimanns Haare brausen. Sie zuckte ein wenig, aber sie schwieg. Ich legte die Brause ins Becken und shampoonierte die gelben Strähnen. "Was bin ich froh, dass ich noch kein Grau unter Farbe verstecken muss", seufzte ich boshaft. Frau Reimann lächelte mild. Wieder ließ ich Wasser über ihren Schaumkopf laufen, drehte den Temperaturregler zurück auf siebenundzwanzig Grad. Frau Reimann presste tapfer die Lippen zusammen. Ich shampoonierte ein zweites Mal und stellte zum Spülen den Regler auf zwanzig Grad.
"Bin ich so empfindlich, oder ist das Wasser wirklich kalt", lächelte Frau Reimann nachsichtig.
Ich ließ das Wasser über meinen Puls laufen. "Oh, es ist wirklich kühl." Gründlich spülte ich den restlichen Schaum aus und wickelte Frau Reimanns Haar in ein weißes Handtuch.
Sie richtete sich auf. Ich wischte ihr mit dem Handtuchzipfel die Tropfen aus dem Gesicht. Dabei verschmierte ich ihren Kajalstift zu einem schwarzen Schatten unter den Augen. Frau Reimann saß kerzengerade. Keine Spur eines Protestes. Ein hoffnungsloser Fall?
Zackig zog ich den Kamm durch die verhakten Spitzen. "Arbeiten Sie immer noch als Auspackerin im Supermarkt?"
"Ja", lächelte sie mich treuherzig an.
"Ein Jammer! Obwohl Sie für Ihren Bankkauffrau-Abschluss so gebüffelt haben..." Ich kämpfte mich ritterlich von oben bis unten durch die Zotteln. Frau Reimann ertrug die Tortur meines Kammes klaglos, bis Strähne für Strähne gerade, entwirrt und erwartungsvoll vor mir lag.
Ich wickelte mir den langen Pony um den Finger. Nun wölbten sich Frau Reimanns Wangen unbedeckt. "Sehen Sie! So sieht man Ihr Gesicht."
"Fänden Sie das passend?"
"Ich? Ja."
"Naja... Wenn Sie meinen..." Frau Reimann betrachtete sich skeptisch im Spiegel, "...dann kreieren Sie einen Bob. Ja, ich glaube es wird mir gefallen."
Ich glaubte das nicht. Aber Frau Reimann sollte lernen, nicht zu glauben, sondern zu wissen, Standpunkte durchzusetzen...
Katzenliebe (aus Anna Konda)
Jedenfalls haben wir jetzt eine Katze. Das ist an sich nichts Besonderes, weil
es Millionen von Menschen gibt, die eine Katze haben, aber für uns ist das
schon besonders, denn wir wollten nie eine Katze haben. Jedenfalls nicht in so
einem Leben, wie wir derzeit leben und wahrscheinlich noch ein paar Jahre so weiter
leben werden, in einer Neubauwohnung, in einem Plattenbau, in der vierten
Etage, dazu gehört nicht einmal ein Balkon. In so einer Wohnung kann man Fische
halten oder einen Wellensittich, aber eine Katze, das bloß nicht. Das arme
Tier, sagte ich immer, das verblödet ja, pinkelt überall hin, lässt Haare und
kann seinen Jagdtrieb nicht ausleben, denn alle Mäuse, die wir besitzen, sind
bestenfalls aus Plüsch. Doch trotz aller Plüschtiere wünschen sich die Kinder
schon lange ein richtiges Haustier, sind nach einer Babykatze verrückt.
Aber aber, sagten die Leute, ihr habt doch einen Garten, wie wär´s mit
Kaninchen? Über ein Kaninchen freuen sich die Kinder einen Sommer lang, der
Rasen wird leise gemäht und Weihnachten gibt’s einen leckeren Braten. Die
Argumente sind gut, wir gehen zwar oft in den Garten, aber nicht jeden Tag und
wer füttert, wenn wir im Urlaub sind? Und Weihnachten, glauben Sie etwa, ich
schlachte? Das Thema Kaninchen würde enden wie das Märchen von der
Weihnachtsgans Auguste.
Die Kinder haben all diese Argumente längst akzeptiert, der Wunsch ist als
unerfüllbar eingestuft, ab und zu kommt die Frage: Wenn wir ein Einzelhaus
haben, dann... und wir sagen, ja dann.
Und dann war Oktober, wir waren im Garten und hörten ein leises Miau.
Vor den üppig blühenden Strauchmargeriten saß ein kleines graues Kätzchen, ein
Baby noch, riss sein Mäulchen auf und sagte wieder Miau. Ich hielt beim
Staudenausgraben inne und lächelte dieses maunzende Bündel mit den weißen
Pfoten an. Miau, sagte das Kätzchen wieder und ich vermutete, das hieß, ich hab
Hunger. Am Fahrradlenker hing eine Tüte Wurst, eine Scheibe könnten wir
entbehren, dachte ich und legte sie auf den Boden. Das Kätzchen schnüffelte
sich an die Wurst heran und fraß sie auf. Wir sahen ihr dabei zu und dachten zu
diesem Zeitpunkt noch, dies wäre ein einmaliger Besuch der Katze. Es war ein
süßes Kätzchen, aber keiner von uns hatte je eine Beziehung zu einer Katze
gehabt und die großen, von Zeit zu Zeit vorbeistreunenden Katzen verscheuchten
wir konsequent.
Am nächsten Tag waren wir wieder im Garten und hatten noch nicht die Laube
aufgeschlossen, da kroch unter den Strauchmargeriten wieder das Kätzchen hervor
und sagte Miau. Oh, nicht schon wieder, du schleichst dich ins Herz, dachte
ich, und gleich danach: verdammt wenn du uns magst, dann kümmern wir uns. Das
Kätzchen war ziemlich scheu, und ich dachte, ich mag keine Katzen. Dann sagte
sie wieder Miau. Ein bettelndes klägliches Miau, da kehrte ich um und fuhr in
die Stadt. In der Drogerie kaufte ich eine Dose Katzenfutter und musste über
mich selbst lachen. So weit ist es also schon, aber das Katzenfutter war gar
nicht so teuer, wie ich gedacht hatte.
Im Garten löffelte ich ein bisschen auf den Teller und stellte den Teller auf
die Veranda. Die Katze schnüffelte, streckte den Kopf dabei weit vor, umkreiste
den Teller zweimal, fand das Futter und fraß. Ich stand hilflos daneben, wusste
weder, wie viel Futter eine Katze braucht, noch wo das mit der Katze hinführen
soll. Als sie fertig war, verkrümelte sie sich wieder unter die
Strauchmargerite und leckte die Pfoten. Die Kinder kamen vom Spielplatz,
versuchten die Katze zu fangen und irgendwie schafften sie es. Wir spürten
jeden einzelnen Knochen, das arme Tier musste fürchterlich ausgehungert sein,
aber wir entdeckten auch, dass sie ein grünes und ein blaues Auge hat. Jeder
wollte die Katze tragen und streicheln, aber wir waren zu unbeholfen. Es gab
keinen Zweifel, die Katze spürte das, wand sich und sprang herunter. Wir waren
ein bisschen beleidigt, wir wollten die Katze, aber die Katze wollte nur unser
Fressen.
Der Junge sagte, wenn Papa kommt und das Futter sieht, sagt der bestimmt, nun
geben wir für so ein Vieh auch noch Geld aus. Der Papa kam und freute sich,
dass die Katze wieder da war. Wir zerrten einen alten Wäschekorb hervor, legten
eine Decke hinein und als Dach eine Sperrholzplatte darauf. Als wir nach Hause
gingen, rannte die Katze hinterher, ich scheuchte die Kinder ins Auto, und
schlug die Türen zu, damit die Katze gar nicht erst auf die Idee kommen könnte,
dass wir sie mit nach Hause nehmen und die Kinder auch nicht.
Zu Hause dachte ich unentwegt an die Katze. Was machen wir damit? Der kleine
Prinz kam mir in den Sinn, du bist verantwortlich für das, was du dir vertraut
gemacht hast. Hatten wir uns schon vertraut gemacht? Die Katze war scheu und
wir waren unbeholfen, aber die Katze fraß unser Fressen und nicht nur der
kleine Prinz, sondern auch das Gesetz sagte, wenn sie unser Fressen frisst,
gehört sie zu uns.
Dabei finde ich das Gesetz ziemlich dumm, weil es das Gehören über das Fressen
regelt, das Gehören beginnt im Kopf, der kleine Prinz ist dem Gesetz schon ein
Stückchen voraus.
Wir schauten von nun an nicht nur morgens aufs Thermometer, sondern auch
abends. Die Quecksilbersäule blieb klein, wir waren besorgt und sagten das
nicht, aber wir sahen uns gegenseitig an, dass wir besorgt waren, obwohl sich
die Katze inzwischen mit ihrem kuscheligen Körbchen vertraut gemacht hatte. Sie
hatte schon vorher viele kalte Nächte überlebt und diese Nächte jetzt waren
nicht ganz so kalt, aber sehr nass und vorher hatten wir die Katze noch nicht
gekannt.
Am nächsten Tag blätterten wir am Zeitungskiosk in Katzenzeitungen, fragten im
Zooladen, was wir mit der Katze anfangen könnten und der Zoohändler sagte:
„Nehmt sie im Winter mit rein.“ Oh nein, das nicht, eine Katze in der Wohnung,
das kommt gar nicht in Frage. Aber am Abend im Garten schnurrte sie uns um die
Beine und schließlich ließ sie sich sogar streicheln, wir warfen ihr einen
gelben Tennisball.
Zu Hause sahen wir wieder aufs Thermometer, sagten aus tiefen Gedanken heraus,
jedenfalls haben wir jetzt eine Katze, und am nächsten Tag riefen wir die
Tierärztin an. Die sagte, wir können sie im Tierheim abgeben, da geht es ihr
gut und so lange sie klein ist, wird sie vermittelt. Tierheim, das kam nicht in
Frage, für die Kinder nicht und für die Eltern eigentlich auch nicht.
Wir hatten gelernt, die Katze auf den Arm zu nehmen, die Katze schnurrte und um
uns war es sowieso längst geschehen. Wir konnten sie nun genauer betrachten und
das blaue Auge schien auch grün zu sein, nur krank. Wir sorgten uns und hatten
die Katze noch keine Woche, da kauften wir eine Box und fuhren mit ihr zur
Tierärztin. Damit war alles geregelt, wenn man mit der Katze zur Tierärztin
fährt, ist das mit dem Gehören sogar schon offiziell.
Seit dem Tierarztbesuch wussten wir, dass die Katze ein Kater ist, zwei Monate
alt, voller Flöhe und Milben sitzt, und dass das blaue Auge grün und entzündet
ist. Bald würden die Flöhe und Milben tot sein und das Geld geht nicht mehr für
Lottoscheine sondern für Katzenstreu und Augensalbe drauf und eben habe ich die
Kammer entrümpelt um Platz zu schaffen für ein Katzenklo.
Inzwischen war ein heftiger Streit um den Namen des Katers entbrannt, Miezi
klang weiblich und war damit unmöglich geworden, und nach einmal Überschlafen
hatten sich die Kinder auf Cäsar geeinigt. Dann kam der Tag, an dem die Flöhe
und Milben tot waren, acht Tage waren nach dem ersten Miau vergangen und wir
packten unseren Kater ein. Zu Hause haben wir ihm das Klo gezeigt und wissen
inzwischen, Katzen sind eigensinnig, aber sehr schlau.
Und nun ist es schön, wir bohren unsere Nasen in Cäsars Fell und wenn wir
abends vorm Fernseher schlafen, dann kuschelt sich Cäsar ganz nah an uns ran
und verfolgt den Kommissar bei der Aufklärung des Falles. Wir werfen ihm Bälle,
lassen ein Wollknäuel vor seiner Nase baumeln und lachen uns kaputt, wenn der
Kater sich kugelt und springt und Purzelbaum schlägt und bei alledem frage ich
mich trotzdem, warum brauchen wir Cäsar überhaupt? Katzen erkennen Erdbeben
sehr früh, las ich einmal, sind bessere Erdbebenerkenner als Seismografen und
nun bin ich beruhigt, weil Cäsar nicht grundlos bei uns wohnt, auch wenn in
unserer Kleinstadt die Erde nur selten bebt.
Schulstunde (Aus: Impressionen einer nicht ganz freiwilligen Weiterbildung)
Eingeschlafene Füße kleben lethargisch auf dem Teppich,
Beine liegen überschlagen, schwer, aufeinander,
wickeln sich um Stuhlbeine.
Im Neonlicht verknoten sich Hände,
ängstlich,
der Untätigkeit nicht gewachsen zu sein.
Finger zwirbeln in Moll die wohlfrisierten Locken,
streichen über artige Bärte.
Blicke aus Augen,
trübe wie Gummibärengelatine,
stoßen dumpf gegen schwarze Tischbeine.
Brillen rutschen auf müde Nasenspitzen,
Mundwinkel klemmen in satten Wangen,
Körper ächzen unter gleißender Helligkeit,
werden getrennt von grellweißen Tischplatten,
alle Poren der erloschenen Träume werden zugeleimt,
mit dieser monotonen Stimme,
die sich mühsam durch zähklebrige Raumluft kämpft.
Warum simuliert niemand einen
verdammt
geilen
Oh
oh
oh
Orgasmus?